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Wie der Papa die Trageszene sieht

by Jerome
Scuol Engadin Mot Tavru

Babys zu tragen hat unglaublich viele Vorteile. Vieles war uns bei der Geburt von Klein C. noch nicht bewusst. So haben wir sie zum Beispiel mit dem Kinderwagen aus dem Spital nach Hause gebracht. Der Babybruder wurde dann aber getragen. Also nichts gegen das Tragen von Babys an sich. Und doch eskaliert die Situation seit einigen Monaten bei uns komplett. Hier der Erfahrungsbericht eines Vaters:

Tragetuchsucht: LueMai, MilaMai, Tragetuch & Co.

Der Anfang war noch harmlos. Es startete mit einer simplen Ergobaby Tragehilfe als Einstiegsdroge. Irgendwann ist meine Frau dann aber immer mehr in die Trageszene abgerutscht. In einschlägigen Online-Gruppen wird seither nächtelang über die neusten Trends und Designs diskutiert und wie man am einfachsten an den besten Stoff kommt. Die Tücher werden aber nicht einfach verkauft, nein, man muss oft an einer Verlosung teilnehmen um sich als glückliche Gewinnerin das Tuch dann kaufen zu dürfen. Die Nachfrage ist also ungemein höher als das Angebot. Gedealt wird weit über die Landesgrenzen hinaus. Als Partner und Vater kann man da nur machtlos zuschauen, wie das Familienvermögen in Stoff umgewandelt wird.

Gehandelt wird nicht nur online. In Zürich ist der Hotspot der Szene ganz unscheinbar in einem Hinterhof in Schwamendingen versteckt. Mütter decken sich hier am helllichten Tag mit Tragen, Tüchern und weiterem Zubehör ein. Ein grosser Trend sind aktuell die Tragejacken. So kann man auch bei Minusgraden ganz ungehindert und diskret seiner Tragesucht nachgehen. Erschreckend (wenn auch praktisch)!

Die Trägerinnen erkennen sich aber dennoch untereinander, was dann zu längeren Konversationen führt. Der Papa und das grössere Kind stehen derweil gelangweilt in der Migros Limmatplatz zwischen den Regalen herum und schauen der Milch beim sauer werden zu.

Die Tragesüchtigen benutzen bei der Kommunikation untereinander ganz bestimmte Codewörter, die ich leider auch nach mehreren Monaten noch nicht alle entschlüsseln konnte. So wird zum Beispiel begeistert von LueMai und MilaMai gesprochen und auf Instagram begleiten mich die folgenden Hashtags: #thestash #derstapel #tragetücher #slings #babywearing #babywrap #babywraps #atta #babywearingaddict #attachementparenting #tragenistliebe #tragenistschön #tragetuchliebe #tragemama #tragemomente

Wenn mit dem Wim gebeutelt wird

Mittlerweile wird die Sucht aber auch zu Hause immer offener gelebt. Als meine Frau letztens erwähnte, dass sie jetzt dann „mit dem Wim beuteln“ würde, wurde ich dennoch stutzig. Wer ist Wim? Und warum will sie mit ihm beuteln? Trifft sie sich mit jemand anderem?

Tragetuch Stapel

der Stapel / the stash (Wim befindet sich übrigens in der Mitte des Bildes…)

Immerhin habe ich die Bedeutung des „Stash“ herausgefunden. Damit ist der Stapel aller Tragetücher gemeint. Bei uns ist er gefühlt schon höher als das Matterhorn (ich habe nachgemessen, es sind total 21 Meter Tuch). Der Stash wird nicht irgendwo versteckt, nein, er wird mehr oder weniger prominent in der Wohnung platziert. So erkennen sich Gleichgesinnte auch ohne viele Worte sofort.

Die Szene an sich wird höchst professionell geführt. Auf Wunsch kommen sogenannte Trageberaterinnen mit dem aktuellsten Stoff ganz bequem zu den potentiellen Käuferinnen nach Hause. Es müssen ja immer mehr Tücher sein. Ein Tuch müsse zum Outfit passen, je nach Jahreszeit dicker oder dünner sein, etc… meint die Mama. Ein Ausstieg aus der Szene ist also praktisch ausgeschlossen.

Auch Papas können tragen

Ich muss gestehen, mittlerweile habe ich mich wohl auch anstecken lassen. Auch wenn ich nicht weiss, was ein Känguruh genau ist, wie eine Wickelkreuztrage funktioniert und ich noch kein #ATTA bin (das ist übrigens ein anonymer Tragetuch Abhängiger – ich habe recherchiert!), so kann ich mich den Tragetüchern mittlerweile nicht mehr ganz entziehen. Meinen Sohn trage ich am liebsten im rosa Elefanten-Sling und Klein C. habe ich im Sommer auf meinem Rücken bis auf den Gipfel des Mot Tavrü auf 2420 Metern über Meer getragen.

PS: dieser Text kann Spuren von Ironie enthalten. Wir lieben unsere Tragetücher und die ganze Trageszene natürlich heiss und innig.

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4 comments

Nestwärme 4. Januar 2018 - 15:12

Ich ergänze mal mit meinem Lexikon: http://nestwaerme.li/beispiel-seite/lexikon/ ☺️

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Mamarocks.ch 4. Januar 2018 - 16:20

Vielen Dank! genau von dem Link habe ich mich vor ein paar Wochen auch inspirieren lassen bei meinen Recherchen, habe ihn dann irgendwie leider nicht mehr gefunden. Ist jetzt aber hinzugefügt im Artikel! 🙂

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Wie ich zur "anonymen Tragetuchabhängigen" wurde | mamarocks.ch - der Schweizer Familienblog 12. Februar 2018 - 10:56

[…] ATTAs nennt man uns in der Szene. Der Papa hat schon mal mal über meine „Sucht“ geschrieben. Einige Dinge hat er noch nicht ganz verstanden… deshalb hier meine […]

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Julia 7. November 2018 - 11:03

Sehr schöner Text. Das fühlt sich daheim bei uns auch so an. Unser Mann weigert sich, sich anstecken zu lassen, aber langsam habe ich seine Vorlieben rausgefunden 😉

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