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Unser Leben mit Aplasia Cutis Congenita

by Deborah

Dieser Artikel wird wohl kaum zu den meistgelesenen des Jahres gehören. Aplasia Cutis Congenita ist eine Fehlbildung der Haut, die in Utero, also noch im Bauch, entsteht. Das Geburtsgebrechen ist relativ selten und tritt nur bei einem von 5000 Kindern auf. Entsprechend wenige Informationen findet man online dazu – und wenn, dann sind es nur schreckliche Bilder von Fehlgeburten oder stark behinderten Kindern.

Unsere beiden Kinder leiden an Aplasia Cutis. Das bedeutet, dass sich ein Teil der Haut nicht gebildet hat. Typischerweise ist dies am Kopf, in der Region eines Wirbels, Das ist auch bei uns der Fall. Bei Klein C. ist es nur eine sehr kleine Stelle, welche bei Geburt nicht richtig diagnostiziert wurde. Wir – und auch die Ärzte – hielten es für eine Saugglockenverletzung.

Eine seltene Diagnose und viele Unklarheiten

Die Stelle des Babybruders ist relativ gross – aktuell etwa 5 Quadratzentimeter. Und wir waren entsprechend schockiert, als unser Kind mit einer offenen Stelle am Hinterkopf auf die Welt kam. Es sah wie eine kreisförmige Wunde aus, blutete allerdings nicht. Ich machte mir nach der Geburt grosse Vorwürfe. Ich befürchtete, die Fehlbildung könne etwas mit meiner Hyperemesis Gravidarum und den starken Medikamenten, die ich nehmen musste, zu tun haben. Das stimmt natürlich nicht (auch wenn wir uns mittlerweile da nicht mehr ganz so sicher sind).

Über die Ursache von Aplasia Cutis gibt es verschiedene Theorien. Die Fehlbildung entsteht wohl im gleichen Stadion wie die Spina Bifida, der offene Rücken. Es wird vermutet, dass beide Erkrankungen ähnliche Ursachen haben. Auch über einen Zusammenhang mit gewissen Medikamenten wird diskutiert (welche ich allerdings nicht genommen hatte). Auch eine genetische Veranlagung steht zur Debatte. Obwohl es nicht bekannt ist, dass jemand in unseren Familien Aplasia Cutis hatte, liegt der Verdacht auf der Hand – zumal unsere beiden Kinder betroffen sind.

Im Spital teilte man uns die genaue Diagnose nicht mit. Wohl sehr bewusst. Denn wie gesagt – wer Aplasia Cutis Congenita googlet landet schnell bei toten Föten und schwerstbehinderten Kindern. Was sie allerdings taten: Sie verwiesen uns an die Dermatologie des Kinderspitals hier in Zürich. Dort wurden wir vorgeladen, als der Babybruder gut zwei Monate alt war.

In der Zwischenzeit hatte sich eine Kruste über die offene Stelle gebildet. Als diese abfiel, kam Narbengewebe zum Vorschein. Im Kinderspital zunächst der Schock: Wir erfuhren die genaue Diagnose und wurden zu einem Schädelultraschall aufgeboten. Denn bei Stellen, die so gross wie diejenige des Babybruders sind, kommt manchmal vor, dass sich auch der Knochen nicht gebildet hat.

Operation – Ja oder Nein?

Zum Glück war alles in Ordnung. Die Aplasia Cutis des Babybruders ist ein rein kosmetisches Problem. Haare werden auf der Narbe nie wachsen. Die Stelle lässt sich durch eine Operation entfernen, wenn dies von uns gewünscht wird. Diese findet normalerweise zwischen einem und vier Jahren statt.

Und damit begann ein langer Entscheidungsfindungsprozess. Wollen wir unser Kind tatsächlich einer „Schönheitsoperation“ unterziehen um potentielles Mobbing zu vermeiden? Wäre es nicht besser, ihm genug Selbstvertrauen mit auf den Weg zu geben, dass dies gar nicht nötig ist? Natürlich hatte jeder, aber auch wirklich jeder, eine eigene Meinung dazu. Was es uns nicht gerade leichter machte.

Inzwischen ist der Babybruder 14 Monate alt. Das Narbengewebe ist hell geworden. Die Stelle ist im Vergleich zum Schädel überproportional gewachsen. Der Babybruder hat zwar Haare bekommen. Es ist inzwischen aber auch klar, dass der Wirbel genau so liegt, dass die Haare die Stelle wohl nie komplett verdecken werden. Ausser er trägt sie sehr lange und bindet sie zusammen.

aplasia-cutis-congenita

Die Stelle fällt auf: Oft wurden wir gefragt, ob er sich wund gelegen habe. Oder jetzt, da er grösser ist, ob es sich eine Kopfverletzung zugezogen habe. Aplasia Cutis Congenita kennt niemand. Der Austausch mit anderen betroffenen Eltern ist schwierig, da nur wenige Kinder von einer so grossen Stelle betroffen sind. Trotzdem haben wir uns mit einigen anderen Eltern ausgetauscht und dabei herausgefunden, dass Aplasia Cutis Congenita in anderen Ländern ganz anders behandelt wird.

Das Narbengewebe ist sehr sensibel. Ein kleiner Kratzer und es beginnt zu bluten. Sonnenempfindlichkeit ist ein grosses Thema. Klar, jetzt trägt er immer Hut oder Mütze. Aber wollen wir dem Babybruder wirklich zumuten, im Erwachsenenalter immer auf eine Kopfbedeckung angewiesen zu sein?

Update Winter 2020

In der Zwischenzeit haben wir uns entschieden, ihn operieren zu lassen. Mehr über unsere Gründe lest ihr hier.

Lest auch unseren Gastartikel zum Thema Aplasia bei Little Big Heart.

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10 comments

Brigitte 9. Januar 2019 - 22:26

Mich interessieren die Beiträge zur Aplasia cutis…als Mama und als Pflegefachfrau. Habe das 1. Mal auf deinem Blog davon gelesen, unterdessen aber auch 1x ein Kind im Kispi damit gesehen. Interessieren tut es mich privat, da mein Sohn auch seit Geburt eine kahle Stelle am Kopf hat. Bei ihm ist es aber ein Naevus subaceus (ein Talgmal: er hat nur Talgdrüsen, keine Haarwurzeln) Oberhalb vom Ohr. Er ist unterdessen über 5 Jahre alt, und die Fragen dazu sind die gleichen wie bei euch. Auch bei ihm werden nie Haare drüber wachsen da er so dichte Haare hat, dass ich ihm einen Pelz wachsen lassen müsste 😉 Es gehört nun einfach zu ihm, fotografiere ihn unbewusst auch oft von dieser Seite – muss seine Schokoladeseite sein. Bin also gespannt, wie es bei euch weiter geht damit. Drück euch die Daumen!

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Rita 30. Januar 2019 - 10:44

Merci für den Beitrag, es spiegelt sehr wohl den Prozess von Eltern wieder deren Kindern nicht ganz der „Norm“ entsprechen!Viel Kraft fürs weitere vorgehen.

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Isabel 11. Januar 2020 - 20:43

Hallo!
Heute habe ich nach beharrlichem Nachbohren in der Geburtsklinik erfahren, dass die vermeintlichen „Saugglockennekrose“ unserer 13 Monate alten Tochter eine ACC ist.
Ich bin sehr glücklich, hier andere Betroffene zu finden.
Zwei Frage habe ich:
In wie fern wird die ACC in anderen Ländern anders behandelt?
Es wurde bislang kein Sono gemacht.
Sollte man das nachholen? Die Fläche ist ca 2cm groß und liegt auf dem Wirbel am Hinter- /Oberkopf.
Liebe Grüße aus dem Saarland
Isabel

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Franzi 16. Dezember 2020 - 15:48

Liebe Isabel,
auch unsere Tochter (geb. Nov. 2019) hat eine ACC am Hinter-/Oberkopf. Ein Sono des Kopfes ist durchaus sinnvoll, um zu sehen, ob darunterliegende Schichten angelegt sind (Knochen, Hirnhaut, …). Auch wir wurden nach Geburt kaum dazu beraten und es wurde vom Kinderarzt nicht erkannt. Deshalb bin ich auch froh, andere Betroffene zu finden und habe kürzlich eine Gruppe dazu gegründet. Ich würde mich freuen, wenn sich dort viele betroffene Eltern finden und austauschen können:https://www.facebook.com/groups/aplasiacutiscongenita
Alles Liebe,
Franzi

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Franzi 16. Dezember 2020 - 15:43

Danke für diesen Beitrag!

Auch unsere Tochter wurde Ende 2019 mit einer ACC geboren, welche weder im Krankenhaus, noch von unserer Hebamme, noch von der Kinderärztin erkannt und zunächst als „Geburtsverletzung“ abgetan wurden. Wir wurden nicht bzw. später nur schlecht dazu beraten, da auch das Fachpersonal damit überfordert schien. Umso wichtiger finde ich den Austausch zwischen betroffenen Eltern, um sich gegenseitig zu unterstützen. Zu dem Zweck habe ich aktuell eine Facebook-Gruppe zum Thema gegründet und lade alle betroffenen Eltern ein, beizutreten und mehr Licht in’s Dunkel der seltenen Diagnose zu bringen: https://www.facebook.com/groups/aplasiacutiscongenita

Alles Liebe für Euch und Eure Kleinen,
Franzi

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Anke 21. Juni 2021 - 14:42

Hallo, auch meine Tocher kam vor 9 Jahren mit einer dmalas bläulichen runden Stelle am Hinterkopf zur Welt. Niemand hat es überhaupt entdeckt. Am 5. Tag habe ich es unter den Haaren gesehen und bin sofort zum Arzt, ich dachte, ich hätte sie unbemerkt verletzt. Der Kinderarzt sagte, es sei sehr selten und nenne sich ACC. Er untersuchte es und meinte damals, dass alles in Ordnung sei und in der Regel ungeführlich. Jetzt 9 Jahre später tat es ihr das erst Mal weh. Die Stelle hat die Größe eines 1-Euro-Stückes. Der Kinderarzt untersuchte es und meinte, es sei etwas verändert und schwammig und überwies uns zu einer bestimmten Haut-Kinderärztin hier in Frankfurt am Main. Nur sie kenne sich wenn überhaupt aus, weil das so selten sei – die Ärztin kommt aus der Uniklinik und hat sich niedergelassen. Heue waren wir dort und es scheint eine entzündete Haarwurzel am Rand zu sein, der Knochen ist vollständig gewachsen und 9 Jahre war auch alles gut. Damals hat mir niemand geraten, eine Sono zu machen. Es gibt wohl noch eine ähnliche Erkrankung, den Namen konnee ich mir heute nicht merken. Da bilden sich dann an der Narbe gutartige Tumore, die operativ entfernt werden müssten. Eine kosmetische OP kommt für uns nicht in Frage – meine Tochter hat ganz dicke, lange Haare und sie verdecken die Stelle komplett. Wir hoffen nun, dass wir das in wenigen Tagen mit einer Zugsalbe abheilen können. Ich bin froh, dass die Ärztin sich damit auskannte – leider eine Privatärztin und die Rechnung muss ich zahlen – aber lieber das als etwas Schlimmes.
Kann mir jemand sagen, ob es neue Erkenntnisse zur Vererbung gibt? Vielen Dank und alles Gute!

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Deborah 5. Juli 2021 - 9:33

Hallo Anke, soweit ich weiss, ist es sehr selten, dass ACC vererbt wird. Laut Pränataldiagnostiker gibt es wohl eine Genmutation, die bei einer Familie nachgewiesen wurde. Zudem gibt es einige sehr seltene (erbliche) Syndrome, bei denen ACC zu den Symptomen gehört

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Rasmus 22. September 2023 - 11:16

Hi,

wir haben bei unserem Kleinen das gleiche Thema. Tatsächlich scheint die Aplasie an der gleichen Stelle zu sein, wie bei eurem Kleinen. – nur etwas kleiner.

2 Fragen meinerseits:
1. Musste der Kleine bei euch für den Schnitt in eine Vollnarkose gelegt werden?
2. Übernimmt die Private Krankenversicherung so einen Eingriff? – Wenn nein, was war der Kostenpunkt für den Eingriff?

Wir können die Entscheidung für diesen EIngriff komplett nachvollziehen, obwohl wir grundlegend der Ansicht sind, dass der Kleine im ausreichenden Alter, alles was mit ihm passieren soll, selbst entscheidet.

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Deborah 26. September 2023 - 9:36

Danke – wir drücken die Daumen, dass alle gut geht bei euch.

Ja, es war jedesmal eine Vollnarkose. Geht glaub in diesem Alter nicht anders. Bei uns wurden die Kosten von der IV (Invalidenversicherung) übernommen, da es ein „Geburtsgebrechen“ ist.

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Susanne 14. Februar 2024 - 8:49

Hallo in die Runde,

ich hatte vor Jahren schon mal Kontakt mit Ihnen und im Mai 2020 wurde mein Kind mit 5,5 Jahren am Hinterkopf mit einer 20cent großen ACC-Fläche operiert.
Leider weitete sich die Narbe und sieht nun nach knapp 4 Jahren aus, wie der falsch-herum-liegende Gardasee.
Die Stelle fällt offen – durch einen Wirbel – daher tragen wir immer einen Zopf.
Langsam kommt aber das Alter, wo auch gern offene Haare getragen werden möchten, aber die Narbe ist natürlich mit dem Kopf mitgewachsen.
Das Kind ist mittlerweile 9,5 und achtet auf Frisuren, die aufgrund der Narbe nicht einfach so schnell gemacht werden können.
Die Narbe ist glatt, trocken, alles gut – nur die Frage: Nochmals OP?, das wäre erst mit einem ausgewachsenen Schädel doch sinnvoll.
Vor 4 Jahren hieß es sogar evtl. Krebs-Verdacht!, war „nur ACC“.
Ich weiß einfach nicht, was man weitermachen kann. Mein Kind „beneidet“ sogar deine Tochter, die die Stelle nicht so offensichtlich hat.
Ich frage mich nur, warum dies vermehrt in den letzten Jahren im Netz mehr darüber zu lesen ist. Vor 9 Jahren gab es nur krasse Bilder und Fehlbildungen. Ist das ein Umwelteinfluss, der diese „Merkmale“ entstehende lässt?

Wünsch euch was!
Susanne

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