Freie Taufen, respektive Willkommensfeste, werden immer beliebter. Ich wollte wissen, was es mit der nichtkirchlichen Taufe genau auf sich hat – denn eigentlich ist die Taufe für mich das religiöse Ritual schlechthin. Raffaella Knopf von „Hallo Wunder“ ist diplomierte Hochzeitsplanerin, Journalistin und organisiert hauptberuflich Willkommensfeiern. Ausserdem ist sie eine ganz liebe Mama eines lebhaften 2-jährigen Jungen, die ich schon eine ganze Weile kenne.
Raffaella, was ist ein Willkommensfest genau?
Ein Willkommensfest (auch bekannt als Namensfeier oder freie Taufe) ist eine wunderschöne Alternative zur klassischen kirchlichen Taufe. In einem festlichen Rahmen heissen wir das Kind willkommen auf dieser Welt und in seiner Familie. Ganz individuell können sich die Eltern für ein passendes Ritual entscheiden, es kann gesungen, gemalt, gebastelt werden. Auch das Einbinden von Gotti und Götti oder Grosseltern ist natürlich möglich.
Und wieso genau soll man ein Willkommensfest machen, wenn man auf eine Taufe verzichtet?
Die Ankunft eines Kindes ist ein Wunder! Dieses Ereignis nicht zu feiern, fühlt sich für viele Eltern falsch an. Oft sind es zudem auch die Grosseltern, die auf eine Taufe drängen und regelrecht erwarten, dass sie zu einem solchen Ritual mit anschliessendem Essen eingeladen werden. Fühlen sich die Eltern aber unwohl mit dem Gedanken, dem Kind die Entscheidung für die richtige Religion abzunehmen oder gehören sie selbst gar keiner Religion mehr an, kann eine Willkommensfeier eine schöne Alternative sein. Ein Mittelweg, der alles offen lässt und doch eine entsprechende Würdigung für dieses wundervolle Ereignis darstellt.
Auch Gotti und Götti können an einer Willkommensfeier eine grosse Rolle spielen und fühlen sich danach richtig angekommen im neuen Patenschaftsamt.
Ich habe jetzt einfach mal behauptet, Willkommensfeste seien im Trend. Ist das tatsächlich so?
Den meisten Eltern, ob in Erwartung oder das Kind bereits da, ist nicht bewusst, dass es eine Alternative zur kirchlichen Taufe gibt. Die Taufe ist nach wie vor für viele Eltern ein wichtiger erster Meilenstein im Leben ihres Kindes. Dies steht im Widerspruch zu der steigenden Zahl Konfessionsloser in der Schweiz. Gehörten laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) in den 1980er Jahren noch über 90 Prozent der Schweizer Einwohner einer der beiden Landeskirchen an, sind es heute noch knapp 60 Prozent. Kirchliche Trauungen gehen ebenfalls zurück und freie Trauungen werden immer populärer. Damit steigt auch das Bewusstsein für freie Tauffeste. Trotzdem muss hier noch viel in den Köpfen der Menschen passieren. Ich hoffe, dass sich durch die wundervollen Feste, die ich und andere Zeremoniengestalter mit den Eltern planen und durchführen dürfen, immer mehr herumspricht, dass es diese Alternative gibt.
Kannst du den genauen Ablauf einer Willkommensfeier erklären? Wie genau muss ich mir so ein Fest vorstellen?
Ja, selbstverständlich. Die Willkommensfeier teilt sich auf in:
Begrüssung / Intro: Ich begrüsse alle Anwesenden und natürlich speziell euch als Familie und euer Kind. Gerne begrüsse ich auf euren Wunsch auch ganz besonders diejenigen, die euch am Herzen liegen. Je nach Wunsch kann ich auf den Ort eingehen, an dem wir uns befinden.
Hauptteil – Eure kleine Familie: Alles kann, nichts muss. Eure Geschichte ist sehr persönlich. Folgende Punkte sind schöne Meilensteine innerhalb meiner Rede. Sollte euch aber etwas davon nicht zusagen, können wir es selbstverständlich weglassen oder alternativ etwas anderes erzählen.
- Im eigentlichen Teil der Rede erzähle ich gerne, wie ihr (die Eltern) sich kennengelernt haben.
- Ich erzähle gerne, wie ihr von eurem kleinen Wunder erfahren habt, ob es lange herbeigesehnt oder doch eher eine Überraschung war. Der Moment, in dem die Mama positiv getestet hat, kann ebenso Teil der Geschichte sein, wie die Reaktion des Papas.
- Eure Gedanken, Ängste, Hoffnungen im Bezug auf das kleine Wunder haben ebenfalls Platz in der Rede.
- Das Kind wird mit Namen und Geburtsdatum vorgestellt. Geschichten zur Namensfindung und die Erklärung der Namensbedeutung sind sehr schön. Auch Geburtserlebnisse können wir gerne einbinden.
Zeremonieller Teil: Im zeremoniellen Teil dürft ihr das Wort an euer Kind richten. Ihm alles sagen, was ihr ihm für seinen Lebensweg wünscht und was es euch bedeutet. Gotti und Götti dürfen auf Wunsch ebenso zu Wort kommen. Wir entscheiden uns im Vorfeld für ein für euch passendes Ritual mit den Paten. Gotti und Götti unterschreiben anschliessend ein Zertifikat, das sie als Paten eures Kindes auszeichnet in dreifacher Ausführung. Eines für den Götti, eines fürs Gotti und eins fürs Kind. (Natürlich sind auch mehrere Gottis / Göttis möglich oder nur eins von beidem.)
Abschlussrede: Zum Schluss richte ich das Wort wieder an euer Kind. Auf Wunsch kann ein schöner Spruch oder ein Zitat vorgetragen werden. Ebenfalls auf Wunsch mache ich noch weitere Mitteilungen: Wie geht es weiter, gibt es vielleicht eine Kollekte?
Dauer: Die Dauer der Zeremonie ist individuell und unter anderem vom Ritual abhängig. In der Regel dauert sie zwischen 20 und 30 Minuten. Wir können jederzeit eine Pause machen, wenn das Baby eine braucht. Während des Rituals und der Rede darf selbstverständlich gestillt oder geschöppelet werden. Das Baby darf auch sehr gerne im Tragetuch getragen werden. Wenn es dabei einschläft, ist das natürlich auch in Ordnung.
Inwiefern unterscheidet sich ein Willkommensfest von einer freien Taufe?
Auch an einem Willkommensfest können kirchliche Elemente eingebunden werden. Wir suchen die Rituale so aus, dass sie perfekt zu euch und eurer Familie passen. Die Willkommensfeier wird durch kirchliche Rituale (wie z.B Fürbitten oder Wassertaufe) trotzdem nicht zu offiziellen kirchlichen Taufe. Das heisst, dass man das Fest im Nachhinein auch nicht von der Kirche «anerkennen» lassen kann.
Und wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Willkommensfeier?
Für eine Willkommensfeier ist es im Grunde nie zu spät. Es kommt immer auf den Fokus an, den man gerne setzen möchte (Ankunft des Kindes, Gotti & Götti, neues Familienmitglied…). Mein ältestes Kind war dieses Jahr ein Mädchen von zwölf Jahren. Sie hat sich selbst ein Gotti und einen Götti aussuchen dürfen und dies haben wir mit einer feierlichen Zeremonie gewürdigt. Es war wunderschön und für alle sehr berührend.
Mit welchen Kosten muss ich für die Organisation einer Willkommensfeier durch „Hallo Wunder“ rechnen?
Willkommensfeste werden in der Regel im Pauschalpreis angeboten. Je nach Redner kostet dies die Eltern zwischen 750 und 1800 Franken. Das mag auf den ersten Blick viel erscheinen. Ich persönlich verlange für meine Willkommensfeste einen Pauschalpreis von 900 Franken + Reisespesen. In jedem Fest stecken zwischen neun und elf Arbeitsstunden, ohne Reisezeit, dazu kommen Holzrahmen für die Patenschaftsurkunden, Die Urkunden selbst und ein Geschenk fürs Kind.
Raffaella, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Bildcredit: Hallo Wunder und Sami Harush