Nicht mehr lange dauert es und unzählige Schweizer Schulkinder werden ein Zeugnis mit nach Hause bringen. Gewisse werden strahlen – und andere bitter enttäuscht sein. Zu ihnen wird auch C. gehören. Ob sie zu den Strahlenden gehören wird oder zu denjenigen, die sich mit einem Tränchen in den Augen im Zimmer verkriechen wird, wird sich noch zeigen. Denn eins mussten wir inzwischen lernen: Noten sind subjektiv. So subjektiv, dass ich inzwischen ihre Existenz in Frage stelle.
Aber zurück zum Anfang. Im Kanton Zürich hat man sich dazu entschieden, die Noten beizubehalten. Aber der zweiten Klasse werden Deutsch und Mathematik benotet, die restlichen Kompetenzen mit Worten beschrieben. Das war bei C. im Februar der Fall.
Weil wir – da unser Kind ja bekannterweise auf einer hausaufgabenfreien Schule ist – keine Ahnung hatten, wie es ihr schulisch so ergeht, meldeten wir uns zu einem Zeugnisgespräch an. Dieses war durch und durch positiv. Positiver kann man sich ein Gespräch kaum vorstellen. Wir – und auch auch das Kind – dachten also ein super Zeugnis wäre garantiert.
Falsch gedacht. Das Zeugnis war gut. Aber nicht so unglaublich gut, wie erhofft. Wir als Familie verstanden die Welt nicht mehr. Und C. lernte bereits in frühen Jahren, dass ein Zeugnis eben nicht nur Grund zur Freude ist.
Waren Noten nicht schon immer doof?
Und ich hatte ein Flashback in meine eigene Kindheit. Nicht unbedingt an die Unterstufe. Damals kriegte ich durchs Band 6er – was man heute aus Prinzip und schulpolitischen Gründen nicht mehr macht (zumindest an unserer Schule), wie ich später erfuhr.
Aber daran, wie ich jeweils auf gute Noten hoffte. Wären sie so herausragend, dass meine Eltern mich loben würden? Oder eben doch bloss in Ordnung? Und da realisierte ich dass Noten schon immer ein seltsames Konzept waren. Und auch, dass es falsch ist, aus Tradition an einem Bewertungssystem festzuhalten, das irgendwie absolut und doch so subjektiv ist.
In anderen Ländern geht es ohne Noten
Andere Länder haben Noten in der Primarschule schon lange abgeschaff oder vergeben diese erst viel später. Dazu gehören etwa Australien oder die nordischen Länder wie Schweden, Dänemark oder Finland. In Dänemark leben seit Jahren die glücklichsten Menschen der Welt und ich vermute, dass das auch ein kleines Bisschen mit dem Fehlen von Schulnoten zu tun hat (mal abgesehen vom starken Sozialstaat). Und Finland landet regelmässig bei Pisa-Studien in den oberen Rängen (meist sogar auf dem ersten Platz). Was wiederum zeigt, dass Noten nicht nötig sind für eine gute Schulbildung.
Weshalb halten wir also weiter an diesem subjektiven Bewertungssystem fest? Vielleicht einfach, weil wir es uns gewohnt sind. Weil wir alle damit aufgewachsen sind und sich gewisse Kreise schwer damit tun, sich für neue Dinge zu öffnen.
Titelbild: KI generiert mit DALL·E