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Mein Kind hat keine Hausaufgaben

Und ich finde das gut

by Deborah

Dass wir in der Stadt Zürich leben, hat klar Nachteile. Etwa zu horrend hohen Mieten oder die Schulwegsicherheit. Aber ich kann mich nicht darüber beschweren, dass unsere Stadt zu wenig für Familien und ganz besonders für die Vereinbarkeit machen würde. Wir haben das Glück zu einer neuen Schule zu gehören. Und alle neugebauten Schulen in der Stadt sind Tagesschulen. Zum Verständnis: Ab dem zweiten Kindergarten sind die Kinder bis 16 Uhr betreut. Anfänglich sind dies zwei Nachmittage, dies steigert sich dann langsam mit Beginn der Schule. Mittagessen und zusätzliche Betreuung kosten sehr wenig. Ein Segen für das Familienbudget.

Bringen Hausaufgaben etwas?

Zum Konzept unserer Schule gehört auch, dass die Kinder keine Hausaufgaben haben. Aus Prinzip. Die Klassenlehrperson erzählte mir, dass es diverse Studien gäbe, dass Hausaufgaben nichts nützen würden. Im Gegenteil: Sie schaffen nur Ungleichheiten. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass nicht alle Kinder die gleichen Unterstützungsmöglichkeiten haben durch ihre Eltern. Zudem ist in der Tagesschule ab der ersten Klasse drei Stunden pro Woche „Individuelle Lernzeit“ vorgesehen. Laut C. wird in dieser Stunde zwar auch viel gespielt und gebastelt. Es gibt aber auch ein Lernangebot. Den Kindern, die ihr Lernsoll im regulären Unterricht nicht erreicht haben, wird sehr fest nahegelegt, dieses auch zu nutzen. Das „Büro“ muss aber wohl so grossartig sein, dass C. auch gerne freiwillig hingeht.

Aus Elternsicht ist das Konzept „hausaufgabenfreie Schule“ total praktisch, aber auch gewöhnungsbedürftig. Total praktisch, weil nicht noch mit C. darüber diskutieren müssen, dass sie nach der Schule schön brav an ihr Pult sitzt und weiterlernt. Wir müssen schliesslich schon genug mit ihr ausdiskutieren. Praktisch, weil es für uns als dreifach Eltern ganz schön schwierig wäre, uns neben den kleinen Brüdern teilweise über eine Stunde Exklusivzeit freizuschaufeln. Ich habe tatsächlich davon gehört, dass Kinder spätestens ab  der dritten Klasse täglich über eine Stunde Hausaufgaben haben sollen. Es ist mir ein Rätsel, wie ein Kind da die Freude am Lernen behalten soll. Wunderbar ist auch, dass C. von der Schule nach Hause kommt und einfach ihren Interessen nachgehen darf. Spielen, basteln, lesen, malen. Sie darf einfach abschalten und Kind sein.

Ohne Hausaufgaben fehlt die elterliche Kontrolle

Gleichzeitig haben wir aber oft nicht die geringste Ahnung, was unser Kind gerade in der Schule macht. Dadurch, dass sie keine Schulmaterialien mit nach Hause bringt, sind wir komplett davon abhängig, wie kommunikationsbereit sie gerade ist. Manchmal erzählt sie sehr gerne von der Schule. Und manchmal ist die Anwort darauf, was man denn heute gemacht habe ganz einfach „nichts“. Dadurch können wir auch sehr schlecht einschätzen, wo sie schulisch gerade steht. C. ist streng mit sich selber, meint oft „da habe ich noch Mühe“ oder „das war sehr schwierig“. Wir hatten uns ernsthaft Sorgen darüber gemacht, dass der Schulstoff schon zu viel für sie war. Stellte sich im Gespräch mit der Lehrperson heraus, dass C. das alles wunderbar macht, aber offenbar unglaublich ehrgeizig ist. Hausaufgabenfreie Schule bedeutet eben auch, dem Kind und dem Schulsystem umso mehr zu vertrauen.

 

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2 comments

Trixi Tumert 3. November 2023 - 14:21

Oh ja, das mit der ‚Hauaufgabenfreien Schule‘ habe ich auch kennengelernt. Tatsächlich auch in Zürich. Und das war am Anfang mega ungewohnt für mich, denn woher soll ich wissen, dass mein Kind den Schulstoff versteht? Dazu braucht es doch die Hausaufgaben und auch mich. 🙂

Ich habe dann gelernt, meinem Kind und den Lehrern zu vertrauen und dass es eigentlich meine Ängste und Sorgen sind, die mein Verhalten bestimmen. Und die Ängste kommen aus meiner eigenen Schulzeit. Da war ich es gewohnt, dass Hausaufgaben zur Schule gehören, und dass es ohne Fleiß keinen Preis gibt und dass von nichts auch nichts kommt. Insofern ist eine ‚Hausaufgabenfreie Schule‘ auch eine prima Gelegenheit, die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen.

Und wie schön, dass meine Kinder keine Hausaufgaben aufbekommen haben. So habe ich gelernt, dass die Schule die Aufgabe meiner Kinder ist und ich da bin, wenn sie mich brauchen. Das hat unser Familienleben mega entspannt. Und das gebe ich nun auch an andere Familien weiter.

Was meine Kinder gelernt haben, habe ich übrigens mit solchen Fragen wie: Was kannst du heute, was du letzte Woche noch nicht konntest? Oder: Welchen tollen Fehler hast du heute gemacht und was hast du daraus gelernt? Oder: Worauf bist du heute stolz? Das fördert gleichzeitig noch das Growth Mindset.

Viele Grüße ins schöne Zürich und ich wünsche euch eine schöne glückliche Schulzeit!

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Monika & Thomas 23. Januar 2024 - 8:27

Vielen Dank für den spannenden Einblick in euren Schulalltag. Wir können sehr gut verstehen, dass die hausaufgabenfreie Schule eine grosse Erleichterung für euch ist. Wir arbeiten als Lerncoaches und haben selbst zwei Kinder mit Lernschwierigkeiten. Da ist die Hausaufgabensituation oft sehr gefühlsbeladen und schwierig. Tränen fliessen, das Kind und die Eltern sind überfordert. Hier hilft der hausaufgabenfreie Ansatz natürlich. Er verbannt eine Quelle von Stress und Konflikten aus dem Familienalltag. Da wir bei unseren Kindern sowieso viel Zeit in die Lese-bzw. Rechengrundlagen investieren, haben wir uns fürs Homeschooling entschieden. So begleiten wir die Kinder zuhause und können so optimal auf ihre Bedürfnisse eingehen.

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